Interview mit Robert König

Heute wird mir die Ehre zuteil Robert König zum Gespräch bitten zu dürfen. Robert ist Absolvent des Instituts für Philosophie an der Uni Wien, Musikliebhaber, DJ und noch vieles mehr. Ich möchte dich nun auch bitten, dich und deine Projekte ein wenig vorzustellen.

RK
: Danke, danke. Ja, wie du schon gesagt hast, habe ich ein Studium der Philosophie absolviert, betreibe jetzt momentan ein Doktoratsstudium, das mich hoffentlich bald ins Ausland führen wird. Musikliebhaber triffts vielleicht nicht ganz genau, ich würd eher sagen: Musikhöriger, ohne den pejorativen Unterton jetzt mitschwingen lassen zu wollen, wenn man von Hörigkeit spricht. Das DJing ist momentan eher ein wenig in den Hintergrund getreten. Man ist ja leider endlich, deshalb muss man sich die Zeit für die Tätigkeiten einteilen. Und momentan liegt alles auf der Schriftstellerei. Daher bleibt mir für viele andere Interessen leider keine Zeit, obwohl ich in Gedanken auch bereits wieder an einem neuerlichen Anlauf für mein Musiktheater feile. Ja, und nebenbei darf halt die Doktorarbeit auch nicht ganz vergessen werden. Ach ja, ein Vortrag ist auch in Arbeit.

Wie beurteilst du generell die Situation von Jungakademikern in Österreich? Der Eindruck den ich verstärkt gewonnen habe, seit ich an der Uni bin, ist jener, dass man unentwegt um Rechtfertigung im großen sozialen Ganzen zu kämpfen hat und dabei eigentlich auch recht auf sich alleine gestellt ist. Abgesehen von ein paar Meldungen im Jahr über cum laude Absolventen oder Genies die mit 16 bereits den Bachelor fertig haben, ist wenig Positives über die heranwachsende Generation Gelehrter zu vernehmen.

RK
: Sehe ich im Ganzen ähnlich. Allerdings ist da wohl leider ganz gutbürgerlich zwischen Studienrichtungen zu unterscheiden. Wenn ich mir da anschaue, wie etwa von der Wirtschaftsuniverstät beworbene Absolventen freudig aufgenommen und gesellschaftlich akzeptiert werden, dann trifft das wenig Positive, wie du es nennst, wohl nicht auf alle zu. Aber für so ziemlich den gesamten Sektor der Geisteswissenschaften würde ich dieses Zeugnis ebenso ausstellen, wie du. Nicht nur, dass der Staat wenige bis wenigste Möglichkeiten bietet, eine geisteswissenschaftliche Tätigkeit zu verfolgen, auch und vor allem das gesamtgesellschaftliche Bild von Geisteswissenschaftlern ist wohl, um es vorsichtig zu sagen, nicht gerade gut. Aber ich würde mit Solschenizyn, der ja mal behauptet hat: Der Status einer Gesellschaft bemisst sich an der Situation ihrer Gefangenen, behaupten, nicht nur an den Gefangenen, sondern auch daran, wie die Gesellschaft mit ihren Denkern und dem Denken selbst umgeht.
Und das steht alles andere als gut da, momentan (vielleicht aber auch nie wirklich so anders gewesen, die gute alte Zeit ist ja oft nur ein illusionäres Herumromantisieren). Aber was dieser Umgang mit dem Denken über die sogenannte Gesellschaft aussagt, spricht wohl für sich selbst. Vielleicht ist da dieses Werbeplakat mit “Theorie ist Grau, Praxis ist Grün” auch noch gut zu erwähnen, das jetzt überall hängt. Da stellt man dem Denken eben gerade noch soviel Raum aus, dass es wenigstens für eine sog. Praxis nützlich sein soll. Das war’s dann aber auch schon. Und daran lässt sich in meinen Augen recht gut die Situation von Jungakademikern in Österreich ablesen. In einem Wort: Denker sein heißt höchstens noch: Mittel sein, Denken ist kein Zweck mehr.

Beim Bachelor möchte ich nun noch mal einharken. Wir beide zählen zur letzten Generation der „Diplomphilosophen“, seit der Umstellung auf das Bakkalaureat 2007 wird es in Zukunft nur noch Bachelors und Bachelorettes der Philosophie geben. Nun ist der Gedanke an sich, dass ein Philosophiestudium irgendwann abzuschließen, geschweige denn der Gütegrad der philosophischen Ausbildung überhaupt quantifizierbar ist, schon problematisch. Wie aber beurteilst du diesen nächsten Schritt der Verkürzung und Simplifizierung der Ausbildung um eine bestimmte Stoßrichtung zu erlangen? Du hast es auch schon angesprochen, dass das Denken sehr stark an seiner Nützlichkeit bemessen wird – kann eine solche Beschneidung der Lehre vielleicht auch eine bessere Erdung der Philosophie bewirken – sie also in der Gesellschaft rehabilitieren?

RK
: Hmn. Das ist eine gute Frage. Ich für meinen Standpunkt würde eher sagen, die Gesellschaft wäre für die Philosophie zu rehabilitieren, nicht die Philosophie für die Gesellschaft. Natürlich wird immer davon gefaselt, nicht alles dem Denken unterzuordnen. Aber das setzt schon nichts Anderes, als den verkürzten Begriff von Denken voraus, der momentan überall kursiert. Die Philosophie zu ‘erden’, hätte in meinen Augen nur den Misserfolg, weiter alles einer Ontologie der Quantifizierbarkeit unterzordnen, und auch noch zu versuchen, der letzten Infragestellung dieser Ontologie ihren Boden zu entziehen, indem man sie einfach in diese Ontologie aufsaugt. Anders gesagt: Natürlich ist ein gehirngewaschener Feind plötzlich der Freund, den ich gern habe und akzeptiere. Aber, ganz auf persönlich alltäglicher Ebene, sind es wirklich die wahren Freunde, die mich und meine Ansichten/Handlungen nie in Frage stellen?

Zu einem bestimmten Grad funktioniert der Denkende also als ein Herausforderer der Gesellschaft, ein unbequemer Kerl, der die schwierigen und unangenehmen Fragen stellt. Siehst du die Gefahr dass eine Gesellschaft entsteht, die diese Ungustln dann lieber ruhig stellt, als sich mit ihnen ernsthaft auseinander zu setzen?

RK: “Herausforderer der Gesellschaft” ist eine sehr dramatische Umschreibung. Ich denke, das Problem wurzelt tiefer, als in der romantischen Vorstellung vom Einzelkämpfer, der es mit der Welt aufnimmt. In meinen Augen spielt die Ebene “Denker vs. Gesellschaft” nur die Rolle eines Symptoms für eine Ursache, die im Denken selbst verankert ist. Wenn denn schon einer daherkommt, und meint, er könne die Allgemeinheit negieren, dann braucht er sich nicht wundern, wenn die Allgemeinheit auch ihn negiert. Natürlich ist es dann leicht, sich im Selbstmitleid dieser Zerrissenheit zu wälzen, und die Missstände nur noch mehr anzuprangern, und ungemütlich zu sein. Es gälte, finde ich, zunächst einmal einen Kitt für diese Kluft zu entwickeln, sich weder auf den Einzelnen, noch auf die Allgemeinheit zu isolieren, denn vielleicht macht das gerade den Riss. Wie das zwar gehen soll, ist mir (bisher?) schleierhaft geblieben. Möglicherweise müsste man einmal generell fragen, was man unter “Gesellschaft”, “Allgemeinheit” oder sowas, und “Einzelner” auf der anderen Seite überhaupt zu denken hat, d.h. die Rolle dieser Begriffe zueinander ist vielleicht besser einsichtig, wenn man sie, wie schon das Wort sagt, einmal überhaupt “begriffen” hat.

Das große Problem, das ich hier sehe ist, dass dieser Riss schon auf indivdueller Ebene ensteht – und zwar in der Diskrepanz zwischen der Person, die man vor sich selbst ist und jener die man auf sozialer Ebene wiedergibt. Selbst wenn also diese Grenze zwischen Allgemeinheit und Einzelnem auf sozialer Ebene aufgelöst werden kann, so bleibt die Opposition auf individueller Ebene, die gar nicht anders kann als sich irgendwann missverstanden zu fühlen und dann Gefahr läuft der angesprochenen Romantisierung anheim zu fallen.

RK
: Sehe ich ähnlich. Ich denke, dass es zur Individualität gehört, nie ganz der zu sein, der ich bin. Ich würde nur einen Schritt weitergehen, und das nicht nur auf die Unterscheidung von individueller und sozialer Ebene begrenzen. Im Grunde, so glaube ich, meint Individuum selbst gerade das Gegenteil seiner Wortbedeutung und ist nicht Unteilbarkeit, sondern gerade Zerrissenheit. So würde ich durchaus sagen, ich bin vor mir selbst gar nicht der, der ich vor mir selbst bin. Das klingt jetzt höchst pathetisch, hat aber für mich zunächst wenig mit der emotionalen oder kognitiven Ebene zu tun, sondern drückt überhaupt die Logik der Individualität selbst aus. Ich bin nicht Status, Ich bin Prozess. Und das schlägt auch auf mein Verhältnis zur sog. Gesellschaft um. Man sieht glaube ich leicht, wie komplex das ganze bei so oberflächlichen Überlegungen schon werden kann.
Hierüber nun nachzudenken halte ich nicht nur für geboten, sondern geradezu für Notwendigkeit, wenn man sich selbst als Individuum positionieren will. Aber gerade darin, dass Individuum qua seiner Zerrissenheit vom Automaten zur Freiheit enthoben wird (Sartre lässt grüßen?), macht es möglich, genau diese Logizität zu verneinen. Wie, Wodurch und Warum wäre allerdings eine nicht wenig interessante Frage (vielleicht überhaupt die Grundthematik – wieder pathetischer formuliert: Wie kanns denn Bitteschön zum Sündenfall kommen?)

Ich möchte diese vieldimensionale Frage nun so stehen lassen und mich auf ein anderes Terrain begeben, nämlich jenes der Musik(hörigkeit). Erst kürzlich haben wir über NSBM gesprochen, jetzt ist dies aber nur eine der zahllosen Formen des Metal-Underground, der allerdings, so mein Eindruck, irgendwie immer mehr an Zugkraft verliert. Vor allem im Vergleich zu den Neunzigern, in denen vor allem die Untergrundbewegungen in Skandinavien dafür sorgten dass sich ein neues Genre – der (Norwegian) Black Metal – entwickelte, wirken die Erzeugnisse in den Jahren seit der Jahrtausendwende eher wie ein Bemühen darum den Status Quo aufrecht zu erhalten, auch wenn innerhalb der Genregrenzen noch weiterentwickelt wird.

RK
: Habe auch diesen Eindruck. Es kommt mir vor, als würde bloß noch wie in einem großen Gulaschtopf herumgerührt, mal diese, mal jene Zutat beigemengt, aber nix am Rezept selbst verändert. Sicher, es existieren Musiker, die auch jetzt innovativen Metal kreieren, aber verglichen, wie du in meinen Augen sehr richtig sagst, mit den Neunzigern, passiert vergleichsweise fast gar nichts mehr. Ich stelle mir dabei nur oft die Frage, ob es daran liegt, dass Metal seinen Zenit überschritten hat, oder ob ich einfach selbstverschuldet den Konnex zu den momentanen Spielarten verloren habe, und mir deswegen alles so lahm und wiedergekäut vorkommt.

Es ist vielleicht auch Resultat der Umstände, denn Innovation ist schwer geworden, alleine schon weil alles schon mal gemacht wurde. Die Zusammenführung mit praktisch allen Musikrichtungen ist schon geschehen, neue Instrumente und Gesangstechniken wurden eingebracht – ich habe den Eindruck dass die technische Perfektion den Stellenwert eingenommen hat, den einst die Kreativität hatte, auch weil sie paradoxer Weise einfacher zu erlangen scheint. Welche Rolle denkst du spielt das Internet in der Konstitution des Undergrounds? Kann in einer so vernetzten Realität überhaupt noch ein Untergrund bestehen?

RK
: Ich sehe, vielleicht etwas blauäugig, das Internet geradezu als DIE Chance für künstlerisch befruchtenden Austausch. Es ist, sinnbildlich gesprochen, historisch gesehen kein Wunder, dass die momentan größte und beste Möglichkeit, Kunst in reichen Facetten kennenzulernen und auszutauschen wieder einmal als illegal gilt. Die Rede ist freilich vom Filesharing. Wo man ungeheure Möglichkeiten hätte, zieht man lieber die Bremse an, wie so oft, scheint sich auch hier der Fortschritt selbst im Weg zu sein, bzw. sich selbst übervorteilt zu haben, sodass er jetzt heim zu Mama laufen will, wenn alles schon zu spät ist. Diese Entwicklungen werden sich in meinen Augen nicht aufhalten lassen. Deshalb bin ich auch guter Dinge, dass die Kreativität auch im Heavy Metal nie aussterben wird, nur ihre Form wird halt neue Gesichter bekommen müssen. Wenn wir nämlich sagen, alles war eh schon da, dann muss ich mich immer fragen: Warum war gerade jetzt schon alles da? Ein Anderer hätte vor 20 oder 200 Jahren schon sagen können: Es war eh schon alles da.
Und trotzdem gab es Innovation. So glaube ich auch hier, dass uns die Entwicklung, wie immer, überraschen, und neue Möglichkeiten zeigen wird, geistig, wie technisch. – Und die Frage über den Underground würde ich entschieden mit Nein beantworten. Nein, es kann keinen Underground mehr geben, aber mit einer Einschränkung: keinen Underground, wie wir ihn kennen. Gerade da schlägt die Community – Logik (z.B. Filesharing) voll zu, denn sie lässt die Grenzen von sog. Underground und sog. Mainacts vollkommen verschwimmen. Ich kann heute als Band eine beachtliche Internetfanbase zusammenhaben, ohne jemals überhaupt einen Vertrag bei einem Plattenlabel unterschrieben zu haben. Allein diese Möglichkeit zeigt natürlich, dass hier vielleicht die generelle Rolle der Kunst sich gerade neu zu definieren beginnt, und, so paradox es klingen mag, gerade durch vom Kapital begünstigte Entwicklungen (Internet, Kommunikation, Informationsgesellschaft), ein Stück weit vom Kapital wegkommen könnte. – Das Ganze hat natürlich sicherlich seine Schattenseiten, aber diese Frage wäre überhaupt eher Thema für eine Monographie:).

Filesharing ist seit das Internet als Massenphänomen auftauchte ein heißes Thema und ich denke niemand der bei Trost ist glaubt im Jahr 2009 noch dass es sich aufhalten lässt. Was mir aber eine interessante Entwicklung zu sein scheint, die mit der neun Vernetztheit einhergeht, ist jene, dass immer mehr Privatpersonen beachtliche Musikarchive ihr eigen nennen können. Was früher schon alleine wegen des Platzes nicht möglich gewesen wäre, geht im digitalen Zeitalter relativ einfach. Welche Rolle denkst du werden diese neuen Archivare in der Weiterentwicklung der Künste spielen, nicht nur im Bereich der Musik, nahezu alle immateriellen Erzeugnisse lassen sich ja inzwischen digital erfassen.

RK
: Ich denke, eine sehr ambivalente Rolle. Einerseits hat natürlich jeder mit Internetanschluss Zugang zu massigen Informationen und anderen “Erzeugnissen”, was aber freilich auch in eine rigorose Oberflächenmanie münden kann. Ich bin da ein bisschen bei der Vorstellung des gestressten Akademikers z.B., der sich zwar 100000e Bücher kauft, aber ohnehin nur einen Bruchteil davon jemals liest bzw. überhaupt aufschlägt. Dieses Problem darf man in meinen Augen nicht vernachlässigen. Ich bin da ganz auf der Seite der großen Überlegungen etwa Hegels zum Verhältnis von Quantität und Qualität (Wissenschaft der Logik übrigens). Der konstatiert dort schon, dass eine rigoros sich bündelnde Quantität irgendwann in eine neue Qualität umschlägt. Ich halte das für sehr richtig. Aus diesem Grund wird das Bilden von immer größeren Archiven sicherlich für Kunst und alles weitere Erhältliche keine unwesentlich Rolle spielen. Das Filesharing selbst ist ja durchaus vielleicht auch als neue Qualität zu begreifen, die eigentlich in verschiedenen Quantitäten wurzelt, nämlich u.a. im kostenlosen, zeitschnellen und jederzeitigen Erhalten von Daten. Wie das allerdings im Ganzen aussehen kann, wage ich jetzt nicht zu umreißen, da müsste ich mir mehr Gedanken darüber machen.

Mit der Musik möchte ich das Interview jetzt auch abschließen. Aus fachlichem Interesse und auch weil ich grad selber an einer Liste der Top-Alben 2008 sitze – Deine Top 5 Alben 2008?

RK
: Hmn…Gute Frage. Ohne bestimmte Reihenfolge: Ayreon – 01011001; Opeth – Watershed; Stormlord – Mare Nostrum; Kataklysm – Prevail; Falconer – Among Beggars and Thieves – Alles unter Vorbehalt, hab grad nicht alles was mir 2008 untergekommen ist im Kopf :)

Ich bedanke mich recht herzlich für das Interview!

RK
: Danke auch, hat Spaß gemacht!

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